Aus dem Buch:
Kurt Moldovan „Kreuz und quer – Beutezüge eines Zeichners“

Wirbel, Tropfen, Schleier, Tümpel, Rinnsale

Bemerkungen über das Vergnügen an der Wasserfarbenmalerei

Im Wasser soll das Leben entstanden sein. Aquarellfarbe macht sichtbar, wie der Bildgegenstand aus dem Wasser hervortritt. Vielleicht entzücken den Liebhaber des Aquarells unbewusste Erinnerungen ans Amöbendasein, an den Fisch und an den Krebs in ihm und an den Wassermann, der schließlich auf das feste Land wandert. Noch zeigt der menschliche Fötus rudimentär die Kiemen des Wassergeborenen.

Wiederholt versicherten mir Leute, dass sie bei der Betrachtung von Aquarellen unmittelbaren physischen Genuss empfinden. Strömungen, Wirbel, Tropfen, Schleier, Tümpel, Rinnsale, Flachsen – die „action“ des farbigen Wassers wird nach dem Antrocknen auf dem Papierbogen zu einem sinnlich wahrnehmbaren Bildgegenstand. (…)

Als Wasserfarbenmaler bin ich neugierig, was mit der in Fluss gesetzten Farbe alles passieren kann, fordere Zufälle heraus und nütze sie augenblicklich für die Gestaltung meines Bildes. Hasard und Wahrscheinlichkeitsrechnung gehören zum Arbeitsprozeß. (…)

Wie ein Jongleur muss ich ununterbrochen meine Bälle unter Kontrolle halten, denn ich hantiere mit dem feuchten Farbfleck und zugleich mit seiner angetrockneten Form, mit der pigmentgesättigten und der wässerigen Linie, mit dem Anfang und dem Ende des Bildes.

Physikalisches -die unbändige Lebendigkeit des Wassers und die Luft, die es eilig auftrocknet - , halten mich auf Tempo. Manchmal muss ich sofort aus der Hüfte schießen, dann wieder scheinbar nachgeben wie ein Judoka. Ein einziger Fehler zerstört das ganze Blatt, denn im Aquarell gibt es keine Korrektur. Das Antrocknen ungeduldig überschätzt, und die darübergelegte Form zerfließt. Die Linie zu spät aufgesetzt, und sie fließt nicht mehr. Die falsche Farbe ausgespielt, und ich muss passen. Rien ne va plus. Nichts geht mehr. (…)

Wasserfarbe verlangt nach Ausdehnung, will sich mit dem Licht und der Luft zu Atmosphäre verbinden, in der das Detail nicht mehr fixierbar ist. (…)

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