Arnold Stadler:
„Abstrakte Kunst gibt es ja doch gar nicht. Das ist noch so eine Schablone oder Schublade, mit der der gescheite Mensch und Schubladenvirtuose auf die eigentlich sprachverschlagende Begegnung mit der Kunst reagiert. Der Mensch glaubt unbedingt, etwas sagen zu müssen zu etwas Gesehenem oder Gelesenem. Je gescheiter er sich wähnt, des mehr glaubt er, sich äußern zu müssen. Er will etwas sagen dazu, und dann fällt ihm, verglichen mit dem Gesehenem, doch nichts Rechtes dazu ein, oder nicht genau das Richtige, kurz: Festzuhalten bleibt, dass ein Bild oder ein Buch, immer mehr ist als das, wie es gesehen wird und was dazu gesagt wird.

Ihm, dem gescheiten Menschen, der alles beschrieben haben will, erklärt haben will, fallen dann auf so etwas Originelles und eigentlich Unbeschreibliches, sich der Beschreibung Entziehendes wie ein Bild im Nachhinein nur Wörter dazu ein, im Nachhinein Wörter und Konstruktionen und Schubladen wie „abstrakt“ oder „gegenständlich, „wild“ oder „still“, „intim“ oder „gestisch“, „impressionistisch“ oder „expressionistisch“, „romantisch“ oder „klassisch“.

Was für Krücken! Die, konfrontiert mit Bildern, welche die Welt vergegenwärtigen, aber an der Kunst versagen. Wie wenig doch (diese) Wörter in Bezug auf das Gesehene sind und auch in Bezug auf das, was der Betrachter eigentlich sagen wollte, wird dann deutlich, wenn das Gesagte mit dem Gesehenen konfrontiert wird. Das, was wir zu einem Bild sagen und sagen können, ist doch immer nur etwas Nachträgliches, etwas im Nachhinein. Wenn der Mensch weiß, dass das lediglich Begriffe sind, die uns allenfalls einzuordnen helfen, aber nicht erklären, erklären können, und dass die Kunst etwas Sprachverschlagendes ist, dann ist es ja gut.

Soviel können wir aber sagen zur Kunst, ja uns sogar mit Professor Keilbach darauf verständigen und einigen, dass es sich bei ihr um etwas Unvergessliches handelt. „Woran erkenne ich ein Kunstwerk?“ fragt er seine Studenten. Und er gibt sich die Antwort selbst: „Dass es unvergesslich ist.“

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